Erster Piratenstammtisch Konstanz

Vorwort: Ich bin ein Pirat. Und das war ich schon immer.
Doch seit den Europawahlen 2009 hat das auf einmal eine ganz neue Bedeutung gewonnen. Seit der Europawahl ist die Piratenpartei an den Ufern unserer Gesellschaft gestrandet.
Doch Wer sind die Piraten? Und was wollen sie?
Ich habe diesen Block eröffnet, um eine persönliche möchtegern sozio-politische Feldforschung zu dokumentieren. Eine Forschung ohne Methode und ohne Sinn – auf der Suche danach, was die modernen Piraten aus dem Internet raus an das Land spült. Meine Meinung stellt in keinster Weise die Meinung der Partei dar und ich bin (noch) kein Mitglied der Piratenpartei! Aber ich bin Mitglied im Piratenstammtisch Konstanz geworden und berichte nun aus meinen eigenen Augen heraus, wie sich eine revolutionäre Idee in einem erzkatholischen, schwäbisch-badischen Provinzstädtchen namens Konstanz (sprich: Kon-schtanz) manifestiert, organisiert & verbreitet – oder aber ertrinkt…
Ich berichte von der Ersten Stunde an bis zur Bundestagswahl am 27.September 2009. Danach werde ich das Land verlassen – Ahoi!

1. Piratenstammtisch Konstanz
Datum: 02.07.2009
Uhrzeit: 19:30
Ort: Winnys Bar

Ich bin auf dem Weg zum 1. Piratenstammtisch in Konschtanz. Keine Ahnung, wer da so ist und was da passiert. Ich befürchte jetzt schonmal der Einzige zu sein, der ohne Schlepptop kommt. Insgeheim erwarte ich tatsächlich eine Gruppe von Computerfreaks, denen im Laufe ihres Daseins irgendwann und unbemerkt ihr ganzes soziales Umfeld irgendwo zwischen den Tasten ihres Computers versickert ist…
Meine anderthalbjahre coden als Hiwi im Fachbereich Informatik haben mich so manches gelehrt Menschen&Maschinen-Beziehungen.

19.28 Uhr und ich bin da. Erste Überraschung: Ich bin pünktlich! Mein Prof wär stolz auf mich. Und obwohl ich sogar noch Zwei Minuten zu früh bin, bin ich schon der letzte der kommt. Da können die Soziologieseminare dieser Erde ja nur davon träumen! Gut. Und weil ich zuletzt komme, hole ich mir am besten einen Stuhl und halte erstmal die Klappe.
Zweite Überraschung: Ungefähr 15 Leute und ein paar zerquetschte sind dem Ruf der Piraten gefolgt (ich bin mir nicht so ganz sicher, waren es 15,16 oder sogar 17?). Ganz schön viele, für das erste Treffen von wildfremden Leuten, die sich über ein Wiki verabredet haben … Und sie kommen aus allen Schichten – Kleine Vorstellungsrunde: 6 Studenten nur, 3 über 40, 1 Soldat und 5 Gemischte. Mitglied in der Piratenpartei sind gerade mal 3. Außerdem 1/4 weiblich!
Da gibts gleich die nächste Überraschung: Bei den Piraten stellt man sich nicht mit [Name], [Beruf], [Wohnort], [Biographie] und [Hobbys] vor. Sondern mit [Namen], [Nickname] und welche [Forderungen der Piratenpartei] einen am meisten interessieren. Ich hab ja befürchtet, mein Nickname wird komisch aufgefasst – aber der hat mit der Piratenpartei nix zu tun.

Wie auch immer, während der Vorstellungsrunde stellen sich drei Säulen von Interessen heraus: Diejenigen, die das Geistige Eigentum reformieren wollen, diejenigen, die mehr Privatsphäre vor der Überwachung des Staates fordern und diejenigen, die die Herrschaft des Staates durch das Volk und NICHT über das Volk wollen. Was ein Browser ist, dass weiß hier jeder.
Nach der Vorstellungsrunde gehts dann zur „offiziellen“ Sitzung. Gedankendelikt ergreift das Wort (ich frage mich, ob es eigentlich anonymer ist, Personen bei ihrem weltlichen Rufnamen zu nennen, oder beim world-wide-nickname?):

„Also bevor irgendwas passiert muss natürlich erst einmal darüber abgestimmt werden, wie wir eigentlich abstimmen wollen. Also es gibt zwei Optionen. Entweder wir stimmen per Handzeichen ab oder anonym. Wer dafür ist, dass wir per Handzeichen abstimmen, der hebt jetzt die Hand…“

Hahaha, damit hat er schonmal – gewollt oder nicht – die ersten Lacher auf seiner Seite. Ich meine, was machen dann bitte die, die anonym abstimmen wollen? Die bleiben dann wohl anonym…
Wie auch immer. Stimmung ist gut, alle sind dafür mit Handzeichen abzustimmen.

Dann der nächste Punkt. Wie sollen wir untereinander und abseits vom Stammtisch kommunizieren? Wiki, Mailingliste oder Forum? Und was machen wir mit der Landesmailingliste, in der alle anderen wohl reinschreiben aber deshalb auch 300 Spammails pro Tag kommen?
Jetzt wird diskutiert, jetzt lernt man die Leute näher kennen. Ute ist selbstständige Informatikerin und schon etwas älter als ich (ja, die meisten sind etwas jünger als ich). Ins Forum schaut Ute nicht rein, also will sie eine Mailingliste. Da kann man dann intelligente Filter einsetzen, dann ist es auch nich so schlimm mit den Spammails. Neben mir sitzt silversideup. Sie ist etwas jünger als ich und hat keine Ahnung von Filtern – Ich auch nicht. Der Soldat sagt zwar gleich, dass er nicht regelmäßig kommen wird, dafür war er aber schon in Tübingen Zaungast.
Und was auch immer das damit zu tun hat, die Grundfrage bleibt: Sollen wir auch die Landesliste mit jedem Scheiß zuspammen oder erstmal im eigenen Forum quatschen und dann nur die Entscheidungen in der Landesliste veröffentlichen? Wie es immer so ist, sind wir am Ende für das was wir am Anfang waren: das Letztere.

Es folgen noch ein paar weitere Abstimmungen, die letzte Abstimmung besiegelt, dass wir uns jetzt immer im Winnys treffen. Winny ist noch die alte Linke, die sich im Keller vom Wohnheim eine Bar reingeschraubt hat und die Cuba Libre als „kubanischen Landwein“ bezeichnet. Natürlich wird hier politisch aktiven immer Asyl gewährt, er hat für uns extra eine halbe Stunde früher aufgemacht. Und warten wirs ab… Er wird der nächste sein, der Mitglied wird.

Tja, ganz schön lange geworden… Vielen Dank für dein Interesse – wenn du es tatsächlich bis hier hin gelesen hast. Für mich wird es jetzt langsam Zeit anzufangen damit aufzuhören und ich schließe mit den Worten meines Vorredners: „Welcome to WordPress.com. This is your first post. Edit or delete it and start blogging!“